BANKEN KNALLHART, KÜNDIGUNGEN MÖGLICH 

Welche Kunden jetzt um ihr Konto zittern müssen

29.05.2021 - 16:07 Uhr
Etliche Leser schrieben BILD: „Plötzlich war unser Konto gesperrt.“ Vorbote einer KündigungFoto: bildergala - stock.adobe.com

Aufregung unter deutschen Bankkunden: Weil einige Banken wie etwa die Commerzbank einen knallharten Sparkurs fahren, werden unrentable Kunden immer häufiger vor die Tür gesetzt: Konto-Kündigung! Immer mehr Betroffene melden sich bei BILD: Plötzlich gab es am Automaten kein Geld mehr. Wer muss jetzt um sein Konto bangen? Welche Strategie verfolgen die Institute? Und was hat das mit dem Bundesgerichtshof zu tun? BILD sprach mit Experten.

Eines vorweg: Warum Geldhäuser wie die Commerzbank Kunden vor die Tür setzen, ist Betriebsgeheimnis. Auf BILD-Anfrage gab es nur allgemeine Antworten.

Auslöser der Knallhart-Strategie ist ein Urteil des Bundesgerichtshof. Der BGH fällte Ende April 2021 ein wichtiges Urteil zur Stärkung der Rechte von Bankkunden (Az. XI ZR 26/20): Für Preis­erhöhungen oder sonst ungüns­tige Veränderungen der Bedingungen von Banken und Sparkassen reicht es nicht aus, wenn Kunden nicht wider­sprechen. Das reicht als „Einwilligung“ zu Änderungen von Geschäftsbedingungen nicht länger aus. Rumms!

Das heißt: Kunden müssen Preiserhöhungen oder eingeschränkten Leistungen explizit zustimmen. Also etwa: „Ja, ich bin mit höheren Kontoführungsgebühren einverstanden.“ Das machen natürlich die wenigsten. Preiserhöhungen werden also fast unmöglich. 

Ausweg 1: Die Banken bieten Kunden neue Kontenmodelle an. Beispiel: weniger Gebühren, aber dafür ausschließlich Onlinenutzung. 

Ausweg 2: Preise einfach unverändert lassen. Ein Commerzbank-Sprecher: „Wer neuen Konditionen nicht zustimmt, für den bleibt alles beim Alten.“

Ausweg 3: Konten unliebsamer Kunden kündigen. Die Institute müssen nicht einmal einen Grund dafür nennen.

Diese Kunden müssen den Rausschmiss fürchten: 

▶︎ Sie bringen dem Institut keinen Umsatz: Konto immer so im Plus, dass keine Strafzinsen anfallen. Banken-Experte Horst Biallo (67), Gründer des gleichnamigen Verbraucherportals: „Wir gehen davon aus, dass das Commerzbank-Beispiel auch bei anderen Banken immer mehr Schule machen wird. Schließlich sind Kunden, die keine aktive Geschäftsbeziehung unterhalten, für die Geldhäuser aus Ertragssicht ein Klotz am Bein.“

▶︎ Kunden nutzen ihr Konto nur als Zweit- oder Drittkonto, haben keinen regelmäßigen Geldeingang. Ein Thema auch für User des größten Schnäppchenblogs MyDealz. In den Foren wird eifrig diskutiert. Gründer Fabian Spielberger: „Banken werden von Zweit oder Drittkonten Gebühren erheben.“ Oder einen Mindestgeldeingang einführen. Ausweg aus Sparer-Sicht: Ich richte einen Dauerauftrag ein, der mir monatlich 700 Euro auf das Drittkonto schaufelt.

▶︎ Sie haben schwer nachvollziehbare Kontobewegungen: hohe Einzahlungen, wenn das Konto sonst leer ist, anschließend wieder hohe Abhebungen. Die Bank muss dem nachgehen (Geldwäsche-Verdacht), das kostet Aufwand.

▶︎ Sie gelten als Querulant, überziehen das Institut mit Beschwerden oder benehmen sich gegenüber Mitarbeitern am Telefon oder in der Filiale daneben. Wie oben erwähnt: Die Bank braucht die Gründe für Kontenkündigungen laut dem Kleingedruckten nicht darzulegen.

Strittig ist dieser Punkt:

▶︎ Sie haben mehrfach Geldanlage-Produkte abgelehnt, obwohl Sie eigentlich die Mittel haben. Banken bestreiten das, BILD-Leser sagen: „Wir fühlen uns extrem unter Druck gesetzt.“ Ex-Commerzbank-Kunde Ernst Sieverding (78) aus Greven (NRW): „Die Commerzbank hat sich immer wieder bei mir gemeldet, wollte, dass ich auf Onlinebanking umsteige, aber das habe ich abgelehnt. Die Anrufe haben mich genervt. Deshalb habe ich die Auflösung meines Commerzbank-Kontos beantragt.“

Ex-Commerzbank-Kunde Ernst Sieverding (78) aus Greven (NRW)Foto: Stephan Schuetze

Vor Kündigung relativ sicher sind: 

▶︎ … diejenigen, wenig Geld auf dem Konto haben. Ein Bankmitarbeiter zu BILD: „Bei Krediten machen wir dann den Umsatz.“

▶︎ … junge Leute mit wenig Umsatz. Die Hoffnung: Es wird bald ein Eigenheim geplant, dann spült ein Immobilienkredit Geld in die Bank-Kasse.

▶︎ … chronische Pleite-Kunden, solange sie die (hohen) Dispo-Zinsen zahlen können.

Was haben Sie erlebt? Schreiben Sie mir: Sparfochs@bild.de


 

 

 

 

 
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